Turniere haben eine faszinierende Dynamik. Wie bei einer hysterischen Frau während einer Drillingsschwangerschaft schlagen die Stimmungen schnell und heftig um, zwischen Umarmung und Anschreien liegen häufig nur ein Funktionsshirt, Sportunterwäsche und drei Hände voll Stolz und Wut. Selten habe ich das so deutlich wie bei diesem BUM erlebt. Doch, haltet inne, drei Schritte zurück!
Am Samstag kamen wir zusammen. Zwölf Parkscheiben unterschiedlicher Form und unterschiedlichen Dienstalters. Scheu kletterten wir aus unseren Alltagen heraus, schauten uns vorsichtig beim BUM um und begannen unser Spiel. WIr spielten nicht mal besonders schlecht, wir taten Dienst nach Vorschrift, wir hielten gut mit gegen Pickup 2 und gegen Gentle und bekamen letztendlich nur von einem sehr stark besetzten Yeahaw-Team ordentlich eins auf die Mütze. Und doch wollte so recht keine Freude aufkommen. Irgendwie fanden wir nicht zusammen.Pässe landeten im Sand, tolle Ideen wie RÜckhand-Bounces, give-and-gos, etc. klappten alle nicht. Ich versuchte wieder, gleichzeitig zu spielen und Anweisungen zu geben, was mich nicht nur zu einem äußerst mittelmäßigen Spieler, sondern auch zu einem katastrophalen Spielertrainer machte, Filip hatte seine Spielintelligenz wenige Stunden vor Turnierbeginn auf einem Nachtflug zwischen Kennedy Airport und Tegel im Gepäckfach liegen lassen, Nele drohte im Minutentakt mit Suizid, Massenmord oder einer äußerst unästhetischen Kombination von beidem, Wu hatte noch nicht begriffen, dass seine Wirbelsäule ihm dieses Wochenende frei gegeben hatte, Wulf hatte lange nicht mehr mit uns trainiert und selbst Giang konnte nicht die gewohnte Konstanz aufs Feld bringen. Das Resultat war ein mäßiger erster Turniertag, an dem nach Turnierschluß keiner viel länger als nötig am Orte des Geschehens verweilte. Gab es Anzeichen einer Wiederholung der Paderborn-Misere? Ja, gab es. EIn Gespräch von Teammitgliedern belauschte ich, in dem zwei unserer Kompagnons überlegten, ob es denn wert wäre, am nächsten Tage wiederzukommen. Kurzum: ich ging beunruhigt ins Bett.
Der Sonntag startete ähnlich wie der Samstag. Unsere Stimmung konnte mit dem schönen Wetter nicht mithalten. Das erste Spiel ging ähnlich knapp verloren wie die Spiele des ersten Tages und wir hatten nicht das Gefühl, etwas dagegen tun zu können. Giangs Worte vom Vortag, dass man als Team nur wachsen könne, wenn man diese knappen Spiele auch mal gewönne, klangen nun wie eine dunkle Prophezeiung. KAfka brachte es auf den Punkt, als er sagte, er sei zwar auf dem Feld und er sei auch nicht schlecht, aber er sei nicht im Spiel, sondern nur dabei. Hm, schwierig. Aufgrund des Karnevals hatten wir nur zwei Spiele an dem Tag, wenig Raum für radikale Verbesserungen, wenig Zeit zu wachsen. Einen Sieg fuhren wir noch ein, aber ein glückliches Team sieht anders aus. Die Party sah so manches Getränk durch unsere Hände gehen, ob aus Frust oder Gleichmut, das war im schummrigen Licht der Hofbeleuchtung nicht mehr auszumachen.
Am nächsten Tag dann zunächst: die große Gelassenheit, Spielbeginn 10.30 Uhr. Die meisten kamen so zwischen viertel nach und halb. Komisch, ich war nicht mal wütend. Ich will das jetzt hier auch nicht aufziehen wie ein amerikanisches Drehbuch, aber es war schon so: Irgendwie war ein anderes Gefühl da. Vielleicht war es wie bei einem langen Streit, wenn man ahnt, dass das Schreien bald vorbei ist und das Knutschen anfängt, eine ähnliche Stimmung lag in der Luft. Vielleicht war es auch nur die Einsicht, dass es so nicht weitergehen konnte. Sobald das erste Spiel begann, waren wir da! WIr liefen, Benni zeigte die heißesten Defense-dives trotz 90 MInuten Schlaf und mehreren Hundert Cuba Libre, Franco begann alles zu fangen was ihm in die Endzone geschleudert wurde und das ganze Team spielte sehr souverän auf. Flo und Christian legten immense Strecken im beinahe hüfttiefen Sand zurück. Seltsam! Für mich ist das immer wieder das Frisbeewunder, wenn plötzlich das Spiel so umschlägt. Nicht dass die negativen Stimmungen der letzten Tage uns nicht noch im Gewebe klebten: Alle mußten hart kämpfen, die Anspannung der letzten Tage und die Erwartungen der letzten Wochen und Monate nicht außer KOntrolle geraten zu lassen. Immernoch gab es Scharmützel an der Sideline, immernoch wurden Leute, die auf dem Feld einen Fehler machten von der Sideline hart angegangen mit Ausrufen, die wir hier nicht wieder aufwärmen, sondern auf ewig im Sand des Todesstreifens ruhen lassen, und dennoch konnte keiner leugnen, dass etwas passierte. Wir wurden endlich ein Team, das füreinander lief. Der Turniertag versprach ein anderer zu werden als die vorherigen. Frisbeespielen machte plötzlich wieder Spaß! Dann, als wären wir tatsächlich in einem schlechten amerikanischen Sportfilm, unser letzter Gegner: Red Eagles Berlin. Schwarze Hemden mit einem Adlerkopf vorne drauf wie ein Bandidos-Chapter aus Schleswig-Holstein, grimmige Gesichter, die schon beim Flippen nichts gutes erahnen ließen, eine Renegaten-Gruppe aus dem Yeahaw-Kosmos mit Frauen, die gerade richtig wenig anhatten und gerade richtig attraktiv waren, um unsere Frauen aufs Blut zu reizen.
Warum es unnötig rauszögern: Das Spiel war ein Schmaus. Saueng. Stark umkämpft. Auch hier wieder: Benni mit dem Zug zur Scheibe wie eine sowjetische Kambarka-Lok auf der letzten Geraden der Transsibirischen Strecke. Nele und Maxi nun extrem stark, Nele wütete im Halbfeld mit ihren Laserwürfen umher, während Maxi hinten in der Zone abräumte. Franco fing einen Paß an der Sideline nur dadurch, dass er mit den Zehenspitzen noch im Feld steckte und mit dem Oberkörper schon ungebremst in ein Zelt rauschte. Wir holten einen Drei-Punkte-Rückstand wieder raus und ließen uns auch von einem kurzen Schwächeanfall circa 10 Minuten vor Schluß nicht mehr verunsichern. Wir gewannen das Spiel, weil wir alle zu jedem Zeitpunkt im Spiel das Gefühl hatten, dass wir das verdient haben. Glücklich und erschöpft lagen wir im Sand, dankbar, dass die körpereigenen Hormone nun die Erinnerung an die letzen Tage verblassen ließen und uns in den Augenblick trieben. “Ein ganzes Turnier mit solch einem Team! Das wärs!!!”, mag sich manch einer gedacht haben. Ich jedenfalls tat es. Wie wir das schaffen? Indem wir einfach uns jede Woche wieder treffen und uns immer wieder selbst und auch gegenseitig dran erinnern, warum wir trotz allem anderen, was auf der Welt abgeht, gerade diesen Sport ausgesucht haben. Für mich sind an diesem Wochenende wieder sechs Hände voll Gründe dazu gekommen!